Anklage wegen Holzfrevel
Am 11. November 1864 mußten sich 188 wegen Holzfrevel angeklagte Frankenauer Bürger vor Gericht verantworten. Was war geschehen? Der Frankenauer Bürgermeister Finger hatte nach einem Stadtratsbeschluß die Bürger durch öffentliche Bekannt-
machung dazu aufgerufen, auf der Quernst Holz zu hauen und nach Frankenau zu führen. Am 29. Juli und am 1. August wurden die Frankenauer von Forstwart Hamel und Oberförster Stamm von Altenlotheim auf frischer Tat betroffen. In ihrem Eifer waren die Frankenauer auch in den Forstdistrikt „Langenort“ geraten und hatten auf der „Quernst“ 14 Wagen und im „Langenort“ 23 Wagen voll grünes Buchenbrennholz gehauen und bereits 22 Wagen voll abgefahren und vor dem Frankenauer Rathaus aufgeschichtet. Dabei war der „Schluß des Waldes“ bedeutend unterbrochen worden.
Auch eine starke Eiche war zu Bauholz gefällt und davon noch zwei Wagen Brennholz nach Frankenau gefahren worden. Die von Oberförster Stamm geforderte Auslieferung wurde von Bürgermeister Finger verweigert mit der Behauptung, das Holz sei Eigentum der Stadt Frankenau. Diese Behauptung stützte sich auf den Eigentumsanspruch, den die Stadt Frankenau auf die Quernst erhob. Die Einklagung dieses vermeintlichen Rechtes war seit 1844 beim „Landgericht“ Vöhl betrieben worden.
Aber erst 1887 wurde dieser Prozeß entschieden und die Quernst fiel nach rechtskräftigen Erkenntnissen dem Fiskus zu. Einen Rechtsanspruch auf die auf darmstädtischem Gebiet liegende Quernst hatte die zum Kurfürstentum Hessen gehörende Stadt aber wohl nie gehabt. Allerdings hätte die Frankenauer Kirche einen solchen geltend machen können. Denn das zur Quernstkirche gehörige Pfarrland hatte nach Auflösung der Quernsthorster Pfarrei 1527 der Frankenauer Pfarrer erhalten.
Die Frankenauer begründeten bei der Verhandlung ihren Besitzanspruch damit, daß sie seit 1814 durch Sammeln von Streu und Hacken von Moos Besitzhandlungen vorge-
nommen. Rechtsanwalt Egger, der die Verteidigung der Frankenauer übernommen hatte, konnte für alle Angeklagten Freispruch erreichen.
Zum einen, weil der Eigentumsanspruch auf den Distrikt Quernst noch nicht geklärt war und die Angeklagten durch durch die Aufforderung durch den Stadtrat im guten Glauben sein konnten, keine rechtswidrige Handlung zu begehen. Was den Frevel im Distrikt „Langenort“ betraf, mußte der Oberförster Stamm zugeben, daß derselbe nicht durch eine deutlich sichtbare Schneise vom Distrikt „Quernst“ abgegrenzt sei.
Oberförster Stamm beantragte im März des folgenden Jahres die Wiederaufnahme des Verfahrens, doch wurde sie vom kurfürstlichen Justizamt als unbegründet abgelehnt. Dieser Prozeß verschärfte natürlich die schon lange bestehenden Spannungen an der großherzoglichen und kurfürstlichen Grenze, und der Forstschutz gegen die Frankenauer Wald- und Wildfrevler war kein leichter Dienst. Ob es auch zu Drohungen gegen die Förster gekommen war, ist nicht bekannt. Man muß es aber vermuten, denn dieser Frevel hatte personelle Veränderungen im Schutzbezirk der Quernst zur Folge.
Aus einem Bericht von Oberförster Stamm an seine vorgesetzte Behörde, das großherzogliche Forstamt Battenberg, geht hervor, daß der Forstwart im Schutzbezirk der Quernst, Bernius, im Herbst 1864 in das Forstamt Groß-Gerau versetzt wurde: „Wie wir schon früher bei verschiedenen Gelegenheiten erwähnt haben, ist die Beschützung des Schutzbezirkes Quernst mit ungewöhnlichen Anstrengungen verknüpft, welche bei dem zunehmenden Proletariat Frankenaus sich fortwährend vermehren, so daß die Kräfte eines zum Forstschützen vorzüglich qualifizierten Mannes kaum noch zur Beschützung des Schutzbezirks Altenlotheim, indem derselbe nur gegen die Forstfrevel durch die Einwohner von Altenlotheim und Schmittlotheim, welche ohnehin nicht erheblich sind, zu schützen ist.“